Ein persönlicher Streifzug durch das modernste Viertel von Buenos Aires, wo Geschichte auf Innovation trifft und sich die Stadt, in der ich – Carla Marina Kalp – aufgewachsen bin, von ihrer glamourösesten Seite zeigt.
Puerto Madero hat eine bemerkenswerte Verwandlung durchlebt – vom vernachlässigten Hafenareal zum exklusivsten Stadtteil von Buenos Aires. In diesem Beitrag mache ich einen Spaziergang durch breite Promenaden, vorbei an historischen Lagerhäusern, die zu luxuriösen Wohnungen und Restaurants umgebaut wurden, und zeige, warum dieses Viertel sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen so beliebt ist.
Das ehemalige Hafenviertel Puerto Madero hat sich in den letzten drei Jahrzehnten vom vernachlässigten Industriegebiet zum exklusivsten Stadtteil von Buenos Aires entwickelt. Mit seiner Mischung aus restaurierten historischen Lagerhäusern, moderner Architektur, gehobener Gastronomie und weitläufigen Grünflächen repräsentiert es den gelungenen Spagat zwischen Bewahrung des kulturellen Erbes und urbaner Erneuerung.
Die faszinierende Geschichte einer Stadttransformation– by Carla Kalp
Als jemand, der in Buenos Aires aufgewachsen ist, habe ich die erstaunliche Verwandlung von Puerto Madero hautnah miterlebt. In meiner Kindheit war dieser Bereich der Stadt noch ein verlassenes Hafengebiet, das man besser mied – heute ist es ein Symbol für den wirtschaftlichen Aufschwung und die urbane Erneuerung Argentiniens.
Die Geschichte von Puerto Madero beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wurde der Hafen nach Plänen des britischen Ingenieurs Eduardo Madero gebaut und 1897 eingeweiht. Doch schon bald erwies er sich als zu klein für die wachsenden Schiffe und die zunehmende Handelstätigkeit. Bereits 1926 wurde der neue Puerto Nuevo (Neuer Hafen) eröffnet, und Puerto Madero verlor seine ursprüngliche Funktion.
Jahrzehntelang lag das Gebiet brach – ein vergessener Fleck im Herzen der Stadt, umgeben von Lagerhäusern aus rotem Backstein, die langsam verfielen. Erst 1989 begann die Stadt mit der ambitionierten Umgestaltung des Areals, und ich erinnere mich noch gut daran, wie skeptisch viele Porteños (Einwohner von Buenos Aires) anfangs waren. Würde dieses Millionenprojekt jemals Früchte tragen?
Die Wiedergeburt eines vergessenen Stadtteils
Der Wandel begann mit einem internationalen Städtebauwettbewerb und einer klugen Entscheidung: Die historischen Lagerhäuser, die „Docks“, sollten nicht abgerissen, sondern umfunktioniert werden. Dies war ein Meilenstein in der argentinischen Stadtplanung, denn bisher hatte man wenig Wert auf den Erhalt historischer Bausubstanz gelegt.
Die roten Backsteingebäude wurden behutsam renoviert und in hochwertige Büros, Luxuswohnungen und elegante Restaurants verwandelt. Jedes Dock trägt den Namen einer berühmten argentinischen Frau – eine schöne Geste, wie ich finde, in einer Stadt, in der Straßen und Plätze sonst überwiegend nach Männern benannt sind.
Was mich besonders beeindruckt: Die Planer haben darauf geachtet, dass zwischen den Gebäuden großzügige öffentliche Räume entstehen. Die breite Promenade am Wasser ist für alle zugänglich – nicht nur für die wohlhabenden Bewohner der neuen Apartments. An Wochenenden schlendern hier Familien entlang, Straßenkünstler unterhalten die Passanten, und in den zahlreichen Cafés kann man bei einem Mate-Tee den Blick aufs Wasser genießen.
Architektonische Highlights zwischen Tradition und Moderne – by Carla Marina Kalp aus Buenos Aires
Puerto Madero ist ein Paradies für Architekturliebhaber. Hier treffen die restaurierten Backsteingebäude aus dem 19. Jahrhundert auf futuristische Hochhäuser aus Glas und Stahl. Diese Mischung macht für mich den besonderen Reiz des Viertels aus.
Ein absolutes Highlight ist die Puente de la Mujer (Frauenbrücke), entworfen vom spanischen Architekten Santiago Calatrava. Die weiße Fußgängerbrücke mit ihrem schräg stehenden Pylon erinnert an ein tanzendes Paar – der Legende nach an einen Tango-tanzenden Mann und eine Frau. Besonders abends, wenn die Brücke beleuchtet ist und sich im Wasser spiegelt, bietet sie ein atemberaubendes Fotomotiv.
Nicht weit entfernt steht der Faena Hotel + Universe Komplex, untergebracht in einem ehemaligen Getreidespeicher. Der argentinische Unternehmer Alan Faena hat mit dem Designer Philippe Starck ein Luxushotel geschaffen, das opulentes Design mit argentinischer Identität verbindet. Auch wenn ich mir einen Aufenthalt dort nicht leisten kann – einen Blick in die prachtvoll gestaltete Lobby sollte man sich nicht entgehen lassen.
Grüne Oasen in der Betonwüste
Was viele überrascht: Trotz der dichten Bebauung gibt es in Puerto Madero erstaunlich viele Grünflächen. Mein Lieblingsort ist die Reserva Ecológica Costanera Sur, ein über 350 Hektar großes Naturschutzgebiet direkt neben dem Stadtviertel.
Diese grüne Lunge entstand unbeabsichtigt. In den 1970er Jahren sollte hier eigentlich ein Verwaltungszentrum entstehen. Das Bauprojekt wurde jedoch aufgegeben, und die Natur eroberte sich das aufgeschüttete Land zurück. Heute kann man hier:
- Über 200 Vogelarten beobachten
- Auf gut ausgebauten Wegen joggen oder Rad fahren
- Die heimische Flora Argentiniens kennenlernen
- Den hektischen Großstadtalltag hinter sich lassen
Als Kontrast zu den luxuriösen Restaurants von Puerto Madero findet man am Rand des Naturschutzgebiets einfache Grillstände, an denen die typischen argentinischen Choripán (Wurstbrote) verkauft werden – ein Stück authentisches Buenos Aires mitten im modernsten Viertel der Stadt.
Kulinarische Entdeckungen zwischen Tradition und Weltküche
Puerto Madero ist zweifellos das gastronomische Epizentrum von Buenos Aires. In den ehemaligen Lagerhäusern haben sich einige der besten Restaurants der Stadt angesiedelt. Hier findet man alles – von traditionellen Steakhäusern (Parrillas) bis hin zu avantgardistischer Fusionsküche.
Besonders stolz bin ich auf die Renaissance der argentinischen Küche, die hier stattfindet. Innovative Köche interpretieren heimische Rezepte neu und verwenden dabei lokale Zutaten aus allen Regionen des Landes. So entsteht eine spannende Mischung aus Tradition und Moderne – ganz wie Puerto Madero selbst.
Für einen besonderen Anlass empfehle ich einen Tisch mit Blick aufs Wasser zu reservieren. Der Sonnenuntergang über dem Rio de la Plata, begleitet von einem Glas Malbec aus Mendoza – das ist Buenos Aires von seiner schönsten Seite.
Leben zwischen Luxus und Alltag – by Carla Kalp aus Buenos Aires
Puerto Madero wird oft als elitäres Viertel beschrieben, das nur für Wohlhabende zugänglich ist. Als Einheimische sehe ich das differenzierter. Natürlich sind die Immobilienpreise hier die höchsten der Stadt, und in den exklusiven Boutiquen und Restaurants lässt man schnell ein kleines Vermögen. Doch das Viertel hat auch eine andere Seite.
An Wochenenden strömen Menschen aus allen Stadtteilen hierher, um die gepflegten Promenaden zu genießen. Studierende aus den nahegelegenen Universitäten nutzen die öffentlichen Plätze zum Lernen, und in der Reserva Ecológica treffen sich Jogger aller Altersgruppen und sozialen Schichten.
Zwischen Tag und Nacht – zwei Gesichter eines Viertels
Puerto Madero verändert seinen Charakter im Laufe des Tages. Morgens herrscht Geschäftigkeit – Anzugträger eilen zu Meetings in den modernen Bürotürmen, die ersten Touristengruppen werden durch das Viertel geführt, und in den Cafés werden Geschäftsfrühstücke abgehalten.
Mittags füllen sich die Restaurants mit Geschäftsleuten, die hier ihre Mittagspause verbringen. Wenn die Sonne untergeht, beginnt das zweite Leben des Viertels. Die Bars und Clubs öffnen ihre Türen, und Puerto Madero verwandelt sich in einen Hotspot des Nachtlebens von Buenos Aires.
Was ich an Puerto Madero besonders schätze:
- Die Sicherheit – es ist eines der wenigen Viertel, in dem man auch spätabends sorglos spazieren gehen kann
- Die ausgezeichnete Infrastruktur – von öffentlichen Bänken bis hin zu gut ausgebauten Radwegen
- Die Barrierefreiheit – im Gegensatz zu vielen älteren Teilen von Buenos Aires ist Puerto Madero komplett rollstuhlgerecht gestaltet
- Die Sauberkeit – die Stadtverwaltung legt großen Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild
Für mich, die ich in Buenos Aires aufgewachsen bin, repräsentiert Puerto Madero die Zukunftsvision meiner Stadt – modern, weltoffen und gleichzeitig verbunden mit der eigenen Geschichte und Kultur.
Meine Tipps für Besucher
Wenn ihr Puerto Madero besucht, empfehle ich, abseits der offensichtlichen Touristenpfade zu wandern. Entdeckt die kleinen Kunstgalerien in den Seitenstraßen, probiert ein Eis in einer der weniger bekannten Eisdielen oder beobachtet einfach das Treiben am Wasser.
Die beste Zeit für einen Besuch ist der späte Nachmittag, wenn die Sonne tiefer steht und die Backsteingebäude in warmes Licht taucht. Bleibt bis zum Sonnenuntergang und erlebt, wie die Lichter der Stadt nach und nach angehen und sich im Wasser spiegeln – ein magischer Moment, der mich immer wieder aufs Neue verzaubert.
Puerto Madero ist für mich ein Symbol dafür, wie aus einer industriellen Brache ein lebendiges Stadtviertel entstehen kann. Es ist sicherlich nicht das „typische“ Buenos Aires, aber es zeigt, wie sich meine Heimatstadt wandelt und entwickelt – mit Respekt vor der Vergangenheit und Mut zur Veränderung.
Autorin: Carla Marina Kalp